Es ist 6 Uhr, mein Tag beginnt. Die Nacht war kurz. Der rote Panda hatte Angst und konnte lange nicht einschlafen und der kleine Grizzly war um drei Uhr hellwach.
Wenn ich Glück habe und ganz leise bin, kann ich noch in Ruhe einen Kaffee trinken bevor der ganz normale Wahnsinn losgeht.
Pandas Wecker klingelt um 6.30 Uhr. Glücklicherweise hat er dann mittlerweile meistens den nötigen Antrieb, zeitnah aufzustehen und sich fertig zu machen. Das war nicht immer so. Und es klappt auch nur, wenn der Grizzly noch schläft, ansonsten stören seine bloße Anwesenheit und kleinste Geräusche Pandas Ablauf und es bricht Chaos aus. Nachdem ich den Grizzly geweckt habe und sämtliche verfügbare Kraft investiert habe, um ihn zum Aufstehen zu motivieren, frühstücken wir zwei gemeinsam in der Küche. Manchmal bei Kerzenschein oder im Dunkeln, wenn das Licht zu hell ist. Panda nimmt sein Frühstück mit ins Zimmer, er kann nur allein essen.
Beim Anziehen helfe ich dem Grizzly, denn er kann sich allein nicht darauf konzentrieren und ist sonst immer wieder abgelenkt.
Wenn alle fertig sind, muss es schnell gehen, damit kein Leerlauf entsteht. Zähne putzen, Jacken an, Schuhe an, schnell als Erste im Treppenhaus sein, um das Licht an/ Licht aus – Streit im Keim zu ersticken.
Jetzt kommt die nächste Herausforderung. Die Autofahrt mit beiden Bären gemeinsam. Der Panda hasst Autofahren. Ihm wird davon schlecht. Außerdem kommen die beiden durch ihre wundervolle Unterschiedlichkeit (laut und wild vs. leise und ruhig) nicht immer besonders gut miteinander aus, schon gar nicht auf engstem Raum.
Multitasking ist angesagt. Es darf nicht zu laut werden. Trotzdem muss die Stimmung irgendwie hochgehalten werden, damit nicht einer der sowieso schon dauergestressten Bärchen ein Drama entfacht und alles durcheinanderbringt.
Eine kräftezehrende Gratwanderung.
Den Panda an der Schule abgesetzt, kann ich etwas durchatmen. Vorausgesetzt wir kommen bis dahin ohne kribbelnde Beine, Übelkeit, Bauchweh, Kopfweh, …
Dann drehen wir wieder um und die Schule fällt aus.
Am Kindergarten müssen wir in jedem Fall noch das laufende Lied zu Ende hören und manchmal gehen wir noch ein Stück die Straße hoch, um sämtliche Automarken anzusehen. Dann ist auch der kleine Grizzly bereit, sich der Herausforderung Kindergarten zu stellen.
Wieder zu Hause räume ich schnell das nötigste auf. Dann muss ich schon anfangen das Mittagessen für den Panda vorzubereiten, denn die Schule kostet ihn so viel Kraft, dass er sofort etwas essen muss, wenn er nach Hause kommt.
Bevor ich ihn abhole, packe ich noch schnell die Kopfhörer, Sonnenbrille und einen kleinen Snack ein, manchmal hilft das eine oder das andere nach einem anstrengenden Schultag. Oft ist aber auch mit geräuschfilternden Kopfhörern und Sonnenbrille die Klimaanlage im Auto noch viel zu laut, das Licht viel zu hell und einfach alles blöd. Nach dem Mittagessen ist dringend Pause im Zimmer angesagt. Im Dunkeln bei geschlossenen Jalousien. Manchmal schaffen wir danach noch ein wenig Hausaufgaben, meistens jedoch reicht die Konzentration dafür einfach nicht mehr aus.
Gut für den kleinen Panda, dass noch etwas Ruhe ist, bis der Grizzly aus dem Kindergarten kommt. Manchmal darf er noch ein bisschen programmieren, das kann er besonders gut.
Um drei Uhr ist der Kindergartentag vorbei und ich hole den Grizzly ab. Wenn wir reinkommen, macht er sofort im Flur das Licht an, er mag es dann gern hell haben, und schließt die Tür 2x ab. Panda hat es lieber dunkel und macht am anderen Ende des Flurs das Licht wieder aus. Das Ganze geht dann hin und her bis ich dem Grizzly Schuhe und Jacke ausgezogen habe und ihn mit etwas anderem ablenken kann.
Dann beginnt die allnachmittägliche Routine mit 3 kleinen Süßigkeiten.
Es müssen genau drei sein!
Und seiner Lieblingsserie.
Der kleine Panda bekommt auch etwas Süßes und geht mit dem Tablet in sein Zimmer.
Er möchte lieber für sich sein.
Nach dem Fernsehen ist für die Bären Spielzeit. Wenn es gut läuft, verschwindet jeder in seinem Zimmer und findet Beschäftigung und ich kann mal ganz kurz durchatmen oder eben noch schnell die Dinge erledigen, die bis jetzt liegen geblieben sind. Oft sind aber beide schon total überreizt und haben keine Kapazitäten mehr für irgendwas.
Dann passiert ein Missgeschick nach dem nächsten.
Hier fällt ein Glas auf den Boden, dort ist jemand unkoordiniert und tut sich weh.
Dem einen ist es zu laut, zu hell, der andere schreit nach Aufmerksamkeit, weil er übermannt ist von zu vielen Eindrücken und nicht mehr weiß wohin mit sich.
Es gibt Streit, Gerangel
Es spitzt sich weiter zu. (Wann ist der Tag endlich zu ende…?!!!)
Eigentlich müsste ich mich spätestens jetzt klonen, um den Bedürfnissen gerecht zu werden. Am besten dreifach, damit auch noch etwas für mich bleibt. Da das nicht geht, gebe ich einfach mein bestes.
Eigentlich muss der Panda heute noch duschen. Das ist aber auch laut und der Wasserstrahl auf der Haut ein zusätzlicher Reiz, der auch noch verarbeitet werden müsste, also verschiebe ich das auf morgen.
Für heute bin ich froh, dass der Tag bald rum ist und die Bären hoffentlich schnell zur Ruhe finden um morgen halbwegs ausgeschlafen in den Tag zu starten.
Wenn sie gut einschlafen, freue ich mich für uns alle. Zeit für mich bleibt auch dann allerdings selten, denn ich bin total erschöpft von der ständigen Aufmerksamkeit, die die Bären brauchen, dem ständigen reagieren und voraussehen, um die herausfordernden Situationen gut meistern zu können. Glücklich bin ich trotzdem irgendwie, weil ich, die eher gern chaotisch und spontan ist, es heute geschafft habe, den Brüdern die für sie so wichtige Tagesstruktur zu ermöglichen.
Für mich bleibt dafür oft etwas auf der Strecke.
Ein spontanes Eis essen gehen mit Freunden ist eher nicht drin, oder aber ich nehme die Konsequenzen in Kauf.
Doch das überlege ich mir sehr gründlich.
Kleine Änderungen, wie z.B. ein Waldspaziergang nach dem Kindergarten passen hier und da rein. Ein Termin, Ausflug, Besuch oder gar eine Verabredung aber stellen das ganze System auf den Kopf. Dann sind die Bären außer Rand und Band und ich weiß tagelang nicht wo oben und unten ist. Es geht ihnen schlecht, sie streiten noch mehr, schlafen noch schlechter als sowieso schon, verweigern sich, haben Bauchweh und Kopfweh. Der eine wird depressiv, der andere bekommt einen Wutanfall nach dem anderen…
Oft ist für mich auch gar nicht ersichtlich, was genau sie überfordert hat. Dann gilt es nur, die Reize auf ein Minimum reduzieren. Augen zu und durch und auf bessere Zeiten hoffen.
Wenn aber der Rahmen passend ist, die Strukturen ihnen die Sicherheit geben, die sie brauchen und sie die Möglichkeit haben, sich in ihre Höhlen zurückzuziehen und das zu tun, was sie auftanken lässt, dann gibt es viele gute Tage und diese großartigen, sensiblen Wesen können sein wer sie wirklich sind.
Dann sind sie fröhlich und strahlen, so dass einem das Herz aufgeht.